Ortsgebundene Navigationssysteme aus Praxis und Forschung

30. Juli 2015

Die ortsgebundene Navigation gibt Hinweise auf Dienste am Bahnhof (Infostand, Taxis, Busse, Plattformen) (c) Cities-Unlocked-Projekt

Bild: © Cities Unlocked

Ortsgebundene Navigationssysteme sollen die Navigation in Gebäuden oder bestimmten öffentlichen Räumen für blinde Menschen optimieren. Nachstehend geben wir einen Überblick über derzeit auf dem Markt und in der Forschung befindliche Systeme.

Indoor-Navigationssysteme

Indoor-Navigationssysteme, also Lösungen für Innenräume, nutzen portable Sender, die je nach Örtlichkeit und Zweck programmiert werden können. So kann ein Sender auf einen Messestand, eine Cafeteria oder ein WC hinweisen, sobald sich der Träger eines Empfängers nähert. Diese Lösungen stützen sich also nicht auf Satellitendaten.

Tag It Guide

Ein System, das sich für vielerlei ortsgebundene Einsatzgebiete eignet, ist der Tag It Guide der Firma Dräger & Lienert. Das System verwendet RFID-Chips (kleine Sender), die von portablen Empfangsgeräten ausgelesen werden. Die Chips können mit beliebigen Informationen gespeist werden, die vom Empfänger wiedergegeben werden. Diese Lösung kann in kleinstem Rahmen Anwendung finden, beispielsweise auf einer taktilen Landkarte, aber auch in größerem Rahmen, etwa auf Messen oder Festivals.

Outdoor-Navigationssysteme

Örtlich begrenzte Outdoor-Navigationssysteme dienen der Orientierung an wichtigen öffentlichen Plätzen. Sie befinden sich jedoch zumeist noch im Forschungsstadium.

M4Guide

Das Reise-Informations- und Navigationssystem M4Guide wird unter Leitung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Berlin gemeinsam mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, dem Landkreis Soest und fünf weiteren Partnern aus Forschung, IT- und Verkehrsunternehmen entwickelt. Ziel des Projekts ist die Entwicklung und praktische Erprobung eines durchgängigen Reise-, Informations- und Zielführungssystems mithilfe eines handelsüblichen Smartphones. Pilotgebiete sind Berlin Mitte sowie Stadt und Landkreis Soest.

Der M4Guide soll blinde Menschen mit den umfassenden Informationen versorgen, die sie brauchen, um sich eigenständig in der Stadt oder einem öffentlichen Gebäude, etwa einer Behörde, zurechtzufinden. Das System stützt sich sowohl auf Satellitendaten als auch auf sogenannte E-Beacons, Sender, die die Ortung des Nutzers in Gebäuden ermöglichen. So soll eine möglichst genaue Routenführung von Tür zu Tür, unter Einbeziehung von Echzeitinformationen, etwa der Nummer eines vorgefahrenen Busses, erreicht werden. Hierzu wurden die Straßen innerhalb der Pilotgebiete eigens neu vermessen.

Der große Vorteil dieser Lösung ist eine präzise Routenführung und hohe Informationsdichte durch eigens erhobene Vermessungsdaten und Verknüpfung mit E-Beacons. Der Nachteil ist allerdings, dass das System nur in Gebieten nutzbar ist, die zeit- und kostenaufwändig erfasst und ausgestattet wurden.

Der M4Guide geht Ende 2015 live.

Mobility Frankfurt

Im Rahmen des Projektes Mobility Frankfurt erforschte die TU Dresden zusammen mit anderen Partnern 2013 die Möglichkeit, mittels WLAN-Fingerprinting, eine auf WLAN-Signalen basierende Kreuzpeilung, den Flughafen Frankfurt für blinde Menschen autark navigierbar zu machen. Die WLAN-Koordinaten wurden in einer eigens entwickelten Smartphone-App mit präzisen Routenhinweisen verknüpft. Das System wurde 2013 am Flughafen Frankfurt mit blinden Versuchspersonen getestet und implementiert. Die Versuchspersonen waren in der Lage, eigenständig ein bestimmtes Gate aufzusuchen. Es ist jedoch nie zu einem Roll-out für die Öffentlichkeit gekommen. Der Aufwand für die Pflege des Systems erwies sich als zu hoch.

Cities Unlocked / 3D-Soundscape

Unter dem Titel 3D-Soundscape erprobt Microsoft in Zusammenarbeit mit der Britischen Wohltätigkeitsorganisation Guide Dog im Projekt Cities Unlocked einen neuen Lösungsansatz in Reading, England. Auch dieses System stützt sich neben Satellitendaten auf eigens installierte Sender, wobei Microsoft auf Bluetooth setzt, um mit der Smartphone-App des Nutzers zu kommunizieren. Diesem werden über einen Knochenleitkopfhörer neben Informationen über die Umgebung auch Signale eingespielt, die anzeigen, ob der Nutzer links oder rechts vom Weg abkommt.

Laut Microsoft befindet sich das System in der Erprobung. Ein Zeitrahmen für eine Alpha-Version wird nicht angegeben. Auch hier ist ein hoher Planungs- und Kostenaufwand zu erwarten.