GARI.info hilft bei der Auswahl von zugänglichen Smartphones, Tablets und Apps

21. Oktober 2013

Jedes Jahr kommt eine Vielzahl neuer Handys, Smartphones und Tablets auf den Markt. Es ist schwer, sich hier einen Überblick zu verschaffen - besonders, wenn Nutzer spezielle Anforderungen an das Gerät haben. Das war der Ausgangspunkt für GARI, die Global Accessibility Reporting Initiative.

Das GARI-Projekt ist eine Initiative des Mobile Manufacturers Forum, ein internationaler Zusammenschluss von Herstellern von Telekommunikations-Equipment.

Auf der GARI.info Website können Nutzer in fünf verschiedenen Sprachen nach Smartphones bzw. Handys, Tablets oder Apps suchen, die ihre besonderen Bedürfnisse erfüllen. Die Datenbank enthält Geräte von 2008 bis heute. Erfasst sind nicht nur Gerätemerkmale, die für sehbehinderte Nutzer wichtig sind. Auch Hörbehinderungen, motorische und kognitive Einschränkungen sind berücksichtigt. Hat das Telefon physische Tasten? Sind die Schriftgröße und die Helligkeit des Displays einstellbar? Kann ich über Sprachbefehl jemanden anrufen? Die GARI Datenbank macht diese und viele andere Merkmale über die Grenzen von Hersteller und Betriebssystem hinweg vergleichbar.

Was GARI bietet - und was nicht

Der Ansatz der Initiative ist, dass teilnehmende Hersteller für jedes neue Gerät ein Datenblatt einreichen, in dem mehr als 100 Zugänglichkeitsmerkmale erfasst sind. Der direkte Input von Herstellern soll für zeitnahe und korrekte Information bürgen - zumindest, was die physischen Gerätemerkmale angeht, die sich während der Nutzungsdauer nicht ändern, also Geräteform und Tastatur, Bildschirmgröße und -auflösung oder Anschlüsse.

Besonders für blinde und sehbehinderte Nutzer hängt die Zugänglichkeit natürlich zum großen Teil von der jeweils installierten Version des Betriebssystems ab. In modernen Smartphones bringen System-Updates häufig signifikante Verbesserungen. Diese können für die Beurteilung, ob ein Gerät überhaupt geeignet ist, ausschlaggebend sein. Ein Beispiel: Vor der Einführung von Android 4.1 (Jelly Bean) war der TalkBack-Screenreader nicht ausgereift genug, um für blinde Nutzer alltagstauglich zu sein.

Marktabdeckung

Zur Zeit enthält die GARI-Datenbank ca. 860 Geräte, etwa ein Drittel davon sind als in Europa erhältlich eingetragen. Um die Anzahl an Geräten zu erhöhen, ist GARI auf die freiwillige Mitwirkung der Hersteller-Mitglieder angewiesen. Das Auswahlmenü Hersteller verrät schon, dass zur Zeit wichtige Namen fehlen, zum Beispiel Huawei, ZTE und HTC. Während Samsung-Geräte in der Region Nordamerika ziemlich up-to-date sind, sind für Europa kaum Geräte gelistet. Für Nutzer ist hier nicht klar, dass Geräteinformationen für bestimmte Modelle tatsächlich vorhanden sind, aber nur angezeigt werden, wenn als Region "North America" ausgewählt wird.

Die Suchmaske

In der Suchmaske können Nutzer sich entweder die geeignetsten Geräte für ihre Art von Einschränkung anzeigen lassen oder aber im Bereich Mobiltelefon-/Tablet-Suche Region, Hersteller und Modell eintragen. Hersteller lässt sich auch auf "alle" setzen. Modell kann man leer lassen, um alle Geräte zu sehen, eine Region muss jedoch gewählt werden. Für europäische Nutzer führt das häufiger zu dem Problem, dass GARI weit weniger Resultate anzeigt als für die Region Nordamerika.

Wer zum Beispiel als Region Europe und als Hersteller Samsung wählt und Modell leer lässt, kriegt nur drei Modelle angezeigt, alles ältere Feature Phones. Die beliebten Samsung Galaxy-Modelle fehlen. Wer jedoch North America als Region auswählt, findet 119 Geräte, die Abdeckung ist für diese Region also viel besser. Viele Nutzer werden den Schluss ziehen, dass die Suchfunktion fehlerhaft oder aber die Marktabdeckung ungenügend ist.

GARI Suchinterface

Abbildung 1: GARIs Such-Interface hat zwei Reiter, "Finde Mobiltelefone & Tablets" und "Finde Apps für Mobiltelefone". Die Mobiltelefon/Tablet-Suche hat drei Optionen: Beste Geräte für... (dann folgt eine Auswahl Fingerfertigkeit, Sehvermögen, Hören/Sprache und Wahrnehmung), zweitens die Mobiltelefon-/Tabletsuche, bei der sich Region, Hersteller und Modell eingeben lassen, und als Drittes die detaillierte Suche nach Eigenschaften.

Eine Schwierigkeit, die sich bei der Sichtung der Ergebnisse zeigt, ist, dass GARI die technischen Bezeichnungen der verschiedenen Modellvarianten, wie etwa "Samsung SCH-I535", nutzt, nicht die bekannten Markennamen. Dass es sich beim SCH-I535 tatsächlich um eine Modellvariante des Samsung Galaxy III handelt, werden nur Telefonspezis erkennen - oder Nutzer, die sich die Mühe machen, durch Suchen außerhalb von GARI diese Verbindung herzustellen.

Da es häufig vermutlich nur geringfügige technische Unterschiede zwischen den amerikanischen und europäischen Modellvarianten gibt, wäre es gut, auch dann Ergebnisse angezeigt zu bekommen, wenn Nutzer Europa als Region ausgewählt haben.

Ein anderes Problem ist die zur Zeit noch unausgegorene Implementation des Gerätevergleichs. Wer Sehvermögen, Mobiltelefone und als Region North America auswählt und dann "Einige Geräte ansehen" wählt, erhält 267 Ergebnisse auf 14 Seiten in einer Rasteransicht (drei Geräte in einer Reihe). Man kann nun bis zu drei Geräte für den Vergleich auswählen. Das Problem: GARI "erinnert" nicht die bereits gemachte Auswahl, wenn man Geräte auf verschiedenen Ergebnisseiten zum Vergleich auswählen will. Dies schränkt den Wert der Vergleichsfunktion erheblich ein. Die (auch in der deutschen Fassung englische) Fehlermeldung "You did not choose at least 2 phones to compare", ist faktisch irreführend – GARI ist einfach (noch) nicht schlau genug, um über ein AJAX-Skript die Nutzerauswahlen abzuspeichern.

GARI zeigt die Ergebnisse mit Vorschaubild in einer Rasteransicht

Abbildung 2: Die Suchergebnisse werden mit Vorschaubild und Link auf die Detailansicht in einer Rasteransicht präsentiert. Zur Zeit können Ergebnisse nicht nach dem Erscheinungsdatum des Geräts sortiert werden. Mit Checkboxen können bis zu drei Geräte für den direkten Vergleich ausgewählt werden..

Veraltete Modelle

Wer mittels GARI nach Geräten sucht, wird schnell bemerken, dass viele der gefundenen Geräte nicht mehr im Handel erhältlich sind (oder nur noch second-hand). Dies ist eher störend für Nutzer, die aktuelle Modelle vergleichen wollen. Die Möglichkeit, bei der Suche Geräte nach Erscheinungsdatum zu filtern (etwa "Nur Geräte, die im letzen Jahr erschienen sind"), würde dieses Problem beheben.

Gerade für blinde und sehbehinderte Nutzer wäre dies wichtig. Die Zugänglichkeit von Android hat sich erst vor ein, zwei Jahren deutlich verbessert, Windows Phone 8 bekommt erst jetzt (mit Update 3) einen Screenrader.

Apps

Die Auswahl an Apps in GARI ist zur Zeit noch gering. Informationen zu den Apps kommen von den Entwicklern selbst. GARI hat ein umfassendes Netzwerk an Entwicklern kontaktiert und um Eingaben gebeten und tut dies weiterhin, um die Abdeckung zu verbessern. Das selbsterklärte Ziel ist, Zugänglichkeitsinformationen zu den meisten, wenn nicht allen, relevanten Apps vorzuhalten. Entwickler, die dies lesen, sind eingeladen, Informationen zu ihren Apps an GARI zu übermitteln. Mehr Informationen für App-Entwickler/innen gibt es auf der GARI-Website.

Der Nutzen von GARI für blinde und sehbehinderte Menschen

Während Gari viele relevante Merkmale versammelt, ist gerade blinden Nutzern klar, dass zusätzliche Informationen zur Zugänglichkeit der jeweiligen Version des Betriebssystems unabdingbar sind. Bei Andoid-Geräten erschweren die verschiedenen Hersteller-"Skins" - eigene Oberflächen, die auf Googles Android Version aufsetzen - in unterschiedlicher Weise die Nutzung des eingebauten Screenreaders Talkback oder machen sie ganz unmöglich. Dieser für blinde Nutzer besonders wichtige Aspekt fehlt bisher in der GARI-Datenbank.

Auch die Update-Politik der Hersteller ist ein wichtiger Faktor für die Auswahl. Ist mit einer Aktualisierung des Betriebssystems auf eine zugänglichere Version überhaupt zu rechnen und wann wird das sein? Dies sind sicher Faktoren, die sich in GARI nicht leicht werden abbilden lassen, die aber dennoch bei der Gerätewahl entscheidend sein können.

Die zukünftige Entwicklung von GARI

Die Entwickler von GARI hatten Gelegenheit, auf eine Vorversion dieses Artikels zu reagieren und haben uns zu einigen Punkten und zur weiteren Entwicklung der Datenbank Rückmeldungen gegeben.

Was die Abdeckung angeht, macht GARI große Anstrengungen, Hersteller auch zur Eingabe von Informationen für Regionen wie Europa zu bewegen. Wenn weitere Hersteller und auch aktuellere Modelle hinzukommen, wird sich die Marktabdeckung verbessern.

Der Ansprechpartner bei GARI, Michael Milligan, gab an, dass im nächsten "Feature Review" im Oktober Optionen für erweiterte Informationen zu mobilen Screenreadern besprochen werden, ebenso wie zusätzliche Informationen zu den "Skins" bei Android-basierten Geräten. Er machte auch deutlich, dass GARI sich generell über Rückmeldungen von Nutzern freut und das Such-Interface weiter verbessern wird.

Fazit

GARI.info ist ein vielversprechendes Informationsangebot, das Nutzern mit konkreten Anforderungen bei der Suche nach geeigneten Geräten Zeit und Mühe ersparen kann. Die GARI-Datenbank ist unseres Wissens der einzige Ort, an dem die Unzahl technischer Gerätedetails aus den Factsheets und Websites der Hersteller auf kohärente Weise zusammengeführt werden und damit eine direkte Vergleichbarkeit gegeben ist.

GARIs Such-Interface ist deutlich verbesserungswürdig. Am wichtigsten wäre vielleicht die Möglichkeit, bekannte Markennamen wie Samsung Galaxy, welche Nutzer bei der Suche verwenden werden, mit den zur Zeit verwendeten technischen Modellnamen zu verbinden. Auch eine Verbindung von Regionen (oder eine Option, unter Einschluss aller Regionen zu suchen) wäre sinnvoll, damit Nutzer relevante Geräte finden, die bislang nur für eine andere Region eingetragen wurden, selbst wenn das europäische Modell geringfügig abweichen mag.

Ein Erscheinungsdatum sollte dem Modell-Datenblatt hinzugefügt werden, denn das Alter eines Geräts ist für Nutzer eine zentral wichtige Information (selbst wenn es sich über weitere Suchen auf Hersteller-Websites ermitteln lässt). Damit würde auch eine weitere zentral wichtige Funktion verfügbar: Die Möglichkeit, nur nach Geräten "jünger als Datum X" zu suchen und damit die Vielzahl veralteter Geräte herauszufiltern.

Wie bereits gesagt: GARI bietet Zugänglichkeitsinformationen auch für andere Arten von Behinderung bzw. Einschränkung. Alle relevanten Merkmale an einem Ort konsistent zusammenzuführen, ist ungemein nützlich. Blinde und sehbehinderte Nutzer werden allerdings vor einem Kauf häufig zusätzlich recherchieren müssen, zum Beispiel, um die Fähigkeiten der eingebauten mobilen Screenreader in der jeweiligen Betriebssystemversion oder die Anpassungsmöglichkeiten der visuellen Ausgabe genauer einschätzen zu können.

Autor: Detlev Fischer (@wcagtest)