Bildschirmlesegeräte

Bildschirmlesegeräte, auch Kamera-Lesesysteme genannt, sind elektronische Sehhilfen. Sie nehmen Schriftstücke oder andere "kleine" Dinge mit einer Kamera auf und geben diese stark vergrößert auf einem Monitor wieder.

Stand: Aktualisiert am 22. Juni 2016.

Was ist das?

Genutzt werden Bildschirmlesegeräte von sehbehinderten Personen, für die das Lesen umfangreicher Texte mit optischen Sehhilfen zu mühsam ist. Das ist spätestens dann der Fall, wenn mehr als eine 8-fache optische Vergrößerung benötigt wird, um Schriftzeichen zu erkennen. Sinnvoll können Kamera-Lesesysteme aber auch bei erhöhtem Kontrastbedarf sein.

Das zu lesende Objekt (z.B. ein Schriftstück) wird unter eine Kamera auf einen beweglichen Kreuztisch gelegt und per Hand horizontal oder vertikal verschoben. Der aufgenommene Textausschnitt wird auf den Bildschirm übertragen. Je nach Art der Sehbehinderung können Vergrößerung, Kontrast und Helligkeit variiert werden.

Mit Bildschirmlesegeräten lassen sich Bücher, Briefe und andere Schriftstücke lesen. Aber auch Zeitungen, Beipackzettel, Landkarten und Bankauszüge lassen sich vergrößern. Bei genügendem Abstand zur Arbeitsfläche kann unter der Kamera geschrieben oder handwerklich gearbeitet werden. Bildschirmlesegeräte gibt es in unterschiedlichen Ausführungen und für spezielle Einsatzzwecke.

Was ist zu beachten?

Verschiedene Formate

Eine grundlegende Entscheidung ist, ob ein voll ausgestattetes stationäres Gerät mit großem Bildschirm und Kreuztisch benötigt wird oder die Transportierbarkeit wichtig ist. Manche transportable Geräte lassen sich auseinanderbauen und in einem Rollkoffer bewegen. Dann gibt es noch mobile bzw. ultraportable Geräte, die im Wesentlichen aus einer Standfläche für die Textvorlage und einem Arm mit einer Kamara am Ende bestehen und sich an einen PC anschließen lassen. Ein Beispiel für soche Produkte ist das Gerät Scan2Voice - siehe unser Test.

Optische Eigenschaften

Um ein flüssiges Lesen zu erreichen, müssen die optischen Eigenschaften des Bildschirmlesegerätes (Kontrast, Helligkeit, Farben, Vergrößerung) optimal nach den individuellen Anforderungen eingestellt werden können. Wichtig ist dabei das Zusammenspiel aller Komponenten eines Bildschirmlesegerätes.

Monitor

Flachbildschirme sind bei Bildschirmlesegeräten inzwischen Standard. Bei hochwertigen neuen Modellen ist der sogenannte Nachzieheffekt (Verschmieren des Bildes bei Bewegung) kaum mehr zu bemängeln. Die größten Bildschirme haben 24 Zoll Bildschirmdiagonale.

Farben

Von den Krankenkassen werden teilweise (krankenkassenabhängig) Bildschirmlesegeräte mit wählbaren Vorder- und Hintergrundfarben, sogenannten "Fehlfarben", z.B. Grün auf Schwarz, finanziert. Dies ist für einige Sehbehinderungen von Vorteil, da der Kontrast verstärkt wird, ohne eine Blendung zu bewirken. Eine Farbumkehr ist fast bei allen Geräten möglich. Echt- bzw. Vollfarbendarstellung (nicht immer in der Kassenleistung enthalten) bewirkt die Abbildung der Originalfarben einer Vorlage, z.B. von Landkarten oder Farbfotos.

Kontrastverstärkung

Eine kontrastreiche Darstellung ist bei den meisten Sehbeeinträchtigungen wichtig, damit die Konturen von Zeichen gut erkannt werden. Dies wird durch eine spezielle Kontrastverstärkung erreicht.

Vergrößerung

Die minimale sowie die maximale Vergrößerung eines Bildschirmlesegerätes werden von der verwendeten Optik und dem Arbeitsabstand zwischen Kamera und Vorlage bestimmt. Technischer Standard sind heute, je nach Bildschirmgröße, von 1,5- bis 120–fach und höher der Vorlage. Portable Systeme (elektronische Lupen) erreichen weniger hohe Vergrößerungen.

Beleuchtung

Für besonders blendempfindliche Personen kommen Bildschirmlesegeräte in Frage, die mit nicht wahrnehmbarer Infrarotbeleuchtung betrieben werden. Eine andere Möglichkeit ist es, eine kombinierte Nah- und Fernkamera zu nutzen. Diese Geräte kommen ohne zusätzliche Beleuchtung aus, die Qualität des wiedergegebenen Bildes kann allerdings bei abgeschalteter Beleuchtung leiden.

Einstellmöglichkeiten

Autofokus und Motorzoom

Inzwischen sind alle Geräte mit einem Autofokus (automatische Scharfeinstellung) und Motorzoom (zur Einstellung der Vergrößerung) ausgestattet. Dies erleichtert die Handhabung. So muss z.B. nach Umblättern einer Buchseite die Schärfeneinstellung nicht mehr per Hand durchgeführt werden.

Linieneinblendung, Zeilenabdeckung und Zeilenanpassung

Bildschirmlesegeräte verfügen über besondere Funktionen, um das flüssige Lesen zu unterstützen. Einblendbare horizontale Linien helfen beim richtigen Zeilenwechsel. Bei der Zeilenabdeckung werden bestimmte Bildschirmbereiche ausgeblendet, so dass - je nach Wunsch - nur die momentan zu lesenden Zeilen sichtbar bleiben. Manche Geräte bieten eine Anpassung der Zeilenlänge an die Monitorbreite und gewählte Vergrößerungsstufe, so dass die Nutzer nur noch auf und ab, aber nicht mehr nach rechts und links navigieren müssen.

Arbeitsplatzgestaltung

Wer von Hand schreiben oder handwerklich unter dem Bildschirmlesegerät arbeiten will, muss darauf achten, dass genügend Abstand zwischen Arbeitsfläche und Kamera vorhanden ist. Sind Kreuztisch und Kamera verbunden, sollten Sie prüfen, wie weit sich der Abstand vergrößern lässt. Außerdem ist es von Vorteil, wenn die Kamera möglichst nah beim Monitor stehen kann, so dass Hände und Kopf nicht in unterschiedliche Richtungen gerichtet sind.

Moderne Bildschirmlesegeräte verzichten häufig auf einen Kreuztisch, wodurch Platz gespart werden kann. Für Nutzer, die viel mit Texten arbeiten und dabei häufiger an einem festen Arbeitsplatz sitzen, ist der Kreuztisch jedoch ein sinnvolles Zubehör, da er die Führung des Lesegutes unter der Kamera erleichtert. Der Einsatz motorbetriebener Leseschlitten ist für motorisch behinderte Menschen sowie für den Einsatz am Arbeitsplatz gedacht.

Bedienung

Der erfolgreiche Einsatz eines Bildschirmlesegerätes hängt auch von der einfachen Bedienbarkeit ab. Ein einfach bedienbares Gerät kommt mit 4 Bedienelementen aus, mit denen z.B. die Vergrößerung und der Kontrast geregelt werden. Einfachste Bedienung der Geräte kommt insbesondere Seniorinnen und Senioren entgegen.

Wichtig ist, dass die Bedienelemente erhaben, griffig, farbig abgesetzt und sinnvoll nach Wichtigkeit der Funktionen angeordnet sind. Geräte mit Autofokus und Motorzoom erleichtern die Bedienung wesentlich. Generell gilt: je mehr Einstellmöglichkeiten ein Gerät hat, desto aufwendiger muss die Bedienung eingeübt werden

Wer viel mit dem Bildschirmlesegerät arbeitet, für den ist es von Vorteil, wenn sich Einstellungen, z.B. Vergrößerungsstufe, Kontrast und Fehlfarbenauswahl, in verschiedenen Varianten für unterschiedliche Vorlagentypen speichern lassen. Einige Geräte bieten dies an.

Finanzierung

Die Preisspanne bei Bildschirmlesegeräten reicht von ca. 1.500 Euro (einfache Standard-Geräte) bis über 5.000 Euro (Geräte mit Fernkamera). Für den privaten Einsatz finanzieren Krankenkassen Bildschirmlesegeräte bei einer Sehschärfe von 0,1 und darunter. Auch Blendempfindlichkeit oder ein größerer Gesichtsfeldausfall können Gründe für die Bewilligung sein.

Die Krankenkassen haben für Bildschirmlesegeräte Festbeträge bestimmt. Der Festbetrag bedeutet, dass die Krankenkasse die Kosten für ein Hilfsmittel bis zu dieser Höhe übernimmt. Möchte man ein Hilfsmittel haben, das teurer ist, muss man die Differenz zwischen dem Festbetrag und dem tatsächlichen Preis selbst zahlen. Finanziert werden von den Krankenkassen in der Regel nur einfache Standard-Geräte. Das reicht nach Auffassung der Rechtsprechung aus, um Texte lesen zu können.

Immer mehr Hersteller bieten Bildschirmlesegeräte auch mit Vorlese-Funktion an, da viele hochgradig sehbehinderte Menschen auf beide Funktionen angewiesen sind. Länger zu lesende Texte sind mit dieser zuschaltbaren Vorlesefunktion leichter und entspannter zu lesen. Mit der Bildschirmlesegerät–Funktion lassen sich zum Beispiel kurze Texte (Kontoauszüge, Inhalts- und Zubereitungsangaben auf Lebensmittelverpackungen sowie Mindesthaltbarkeitsdaten usw.) einfacher und schneller erfassen. Handgeschriebene Schriftstücke können ausschließlich mit dieser Funktion gelesen werden. Diese Geräte sind aber immer noch mit einer hohen Zuzahlung verbunden.

Marktübersicht

Gerätetypen für verschiedene Nutzungssituationen

Basisversion

Bildschirmlesegeräte bestehen in der Regel aus den Elementen Kamera, Monitor und Kreuztisch. Letzterer unterstützt die Führung des Lesegutes unter der Kamera. Zumeist sind Kamera und Kreuztisch miteinander verbunden, der Monitor ist frei stellbar. Die Bedienung dieser Bildschirmlesegeräte ist meist einfach und kommt den Bedürfnissen von älteren Menschen entgegen.

Geräte mit PC-Anschluss

Besonders im Arbeitsbereich werden Kamerasysteme eingesetzt, die an einen PC angeschlossen werden können. Das aufgenommene Bild wird dann auf den Computermonitor übertragen. Die meisten Geräte ermöglichen eine Bildschirmteilung, d.h., die Monitordarstellung wird in ein PC-Bild und ein oder mehrere Kamerabilder unterteilt.
Einige Geräte mit PC-Anschluss verfügen über eine Scan-Funktion, mit der die eingelesenen Vorlagen gespeichert und weiterverarbeitet werden können. Dies bietet auch die Möglichkeit, längeren Text per Sprachausgabe vorlesen zu lassen.

Geräte mit Fernkamera

Die sogenannten Tafel-Lesegeräte vergrößern entfernte Objekte im Raum, z.B. die Tafel in der Schule. Hierzu wird entweder eine schwenkbare Kamera oder eine zusätzliche Fernkamera eingesetzt.

Portable Geräte für den Einsatz unterwegs

Tragbare Bildschirmlesegeräte, auch elektronische Lupen genannt, werden netzunabhängig mit Akkus betrieben. Portable Geräte sind üblicherweise mit Flachbildschirm (LCD- oder TFT-Monitor) und Handkamera ausgestattet oder werden an einen Laptop angeschlossen und über die Tastatur gesteuert.

Externe Links

Tests

Scan2Voice – Portables Bildschirmlesegerät mit Vorlesefunktion

Scan2Voice ist ein portables Bildschirmlesegerät. Gescannte Texte werden vorgelesen und lassen sich in Textverarbeitungsprogrammen weiterverarbeiten. INCOBS hat getestet, ob sich Scan2Voice auch von blinden Nutzern ohne Hilfe installieren und nutzen lässt.

alle Tests anzeigen

News

Neues von der SightCity 2015

Wir berichten über aktuelle Hilfsmittel-Neuheiten für blinde und sehbehinderte Menschen von der SightCity 2015.

INCOBS-Bericht über Neuigkeiten auf der SightCity 2014

Wir berichten kurz über einige Hilfsmittel-Neuerungen für blinde und sehbehinderte Menschen, die sich das Team auf der SightCity angesehen hat.

alle News anzeigen

Artikel

Neuheiten auf der SightCity 2016

Vom 18. bis 20. Mai war das INCOBS Team zu Besuch auf der SightCity 2016 in Frankfurt. Auf der größten Hilfsmittelmesse Europas wurden wieder zahlreiche Technologien für blinde und sehbehinderte Menschen vorgestellt. Wir haben uns einen Überblick über die neuesten Trends und Entwicklungen verschafft.

Anpassungsfinder - die Datenbank für Hilfsmittel-Anpassungen

Der Anpassungsfinder ist jetzt öffentlich. Er dokumentiert Anpassungen von Hilfsmitteln an beruflich genutzte Software.

Neuheiten auf der SightCity 2015

Vom 20. bis 22. Mai war das INCOBS Team zu Besuch auf der SightCity 2015 in Frankfurt. Auf der größten Hilfsmittelmesse Europas wurden wieder zahlreiche Technologien für blinde und sehbehinderte Menschen vorgestellt. Wir haben uns einen Überblick über die neuesten Trends und Entwicklungen verschafft.

Neuheiten auf der SightCity 2014

Das Team von INCOBS war vom 14. bis 16. Mai zu Besuch auf der SightCity in Frankfurt. Dort haben wir uns einen Überblick über Neuheiten und Entwicklungen im Bereich der Technologien für blinde und sehbehinderte Menschen verschafft.

alle Artikel anzeigen