Tablettest mit blinden Nutzern: Erstinstallation im Vergleich

3. Februar 2014

iPad-Installation: Hallo (Begrüßungsbildschirm)

Lassen sich gängige Tablets von blinden Nutzern ohne Touchscreenerfahrung selbstständig einrichten und in Betrieb nehmen? Unser Test verglich die Erstinstallationsprozesse von Apples iPad mini und Googles Nexus 7.

Dieser Artikel ist Teil unseres Tablet-Vergleichstests, der auch den Test der Erstinstallation, eine Prüfung der Handbücher sowie technische Prüfungen der Calender Apps beinhaltete. Einen Überblick bietet der Artikel Tablet-Tests mit blinden Nutzern: Überblick.

Nach einem ersten Vortest mit den drei ausgewählten Geräten (iPad Mini, Google Nexus 7, Windows 8 Thinkpad Helix) entschieden wir, das Windows-8-Gerät nicht in unseren Test mit blinden Erstnutzern einzubeziehen. Das Thinkpad Helix ist ein Hybridgerät: ein Windows 8 Ultrabook mit abnehmbarem Bildschirm, der auch als Tablet dienen kann. Es unterscheidet sich deshalb in vieler Hinsicht von den reinen Tablets iPad und Google Nexus. Das Gerät ist sehr viel leichter mit Hilfe der Tastatur zu installieren, der Installationsprozess ohne Tastatur ist daher eher ein theoretisches Unterfangen.

Was die Erstinstallation betrifft, hatten wir bereits erwartet, dass blinde Erstnutzer gelegentlich Hilfe benötigen.

Apple iPad mini (iOS 7)

Das iPad lässt sich im Prinzip ohne sehende Hilfe installieren. Nutzer müssen allerdings vor Beginn wissen (oder recherchieren), dass sie die Sprachausgabe VoiceOver mit einem dreifachen Druck auf die Home-Taste aktivieren können. Nutzer müssen sich außerdem zuvor bei Bekannten oder im Netz über die Grundzüge der Touch-Bedienung (Streichgesten, Tippgesten) informiert haben.

Nicht ideal ist bei der iPad-Installation, dass die Zurück-Taste am Beginn eines jeden neuen Schrittes steht, so dass immer ein Streichen nach rechts erforderlich ist, um den Schritt selbst abzurufen bzw. durchzuführen. Ansonsten sind die Schritt-für-Schritt-Anweisungen klar und können ohne sehende Hilfe durchgeführt werden. Ohne Praxis in der Nutzung der virtuellen Tastatur erwies es sich für Nutzer aber dennoch als schwierig, alle notwendigen Informationen (wie etwa die Apple-ID oder den WLAN-Schlüssel) einzugeben.

Ein Nachteil gegenüber dem Android-Tablet Nexus ist, dass die Erklärung der Touchgesten nicht als Teil der Erstinstallation geschieht. Wenn man das Android-Tutorial nicht mitrechnet, ist der iPad-Installationsprozess umfangreicher als der des Nexus-Tablets, selbst wenn sich einige Schritte überspringen lassen.

Google Nexus 7 (Android 4.4)

Verglichen mit dem iPad ist Googles Nexus-7-Tablet schwerer zu installieren. Es ist schwieriger (bzw. fehleranfälliger), die Sprachausgabe TalkBack durch das Halten zweier Finger auf dem Bildschirm einzuschalten. Die Sprachauswahl ist schlecht verständlich, die Installation auf Deutsch nicht möglich. Wer Englisch versteht, kann den Prozess auf Englisch durchlaufen und später auf die deutsche Sprache umstellen. War die Auswahl von Deutsch im Laufe der Erstinstallation unter Android 4.2 (mit Schwierigkeiten) noch möglich, gibt es unter Android Kitkat jetzt nur noch die Auswahl von Englisch (britisch, US-amerikanisch oder indisch). Das trägt wohl dem Problem Rechnung, dass die Installation zuvor zwar mit deutschsprachigen Bedienelementen, aber mit einer englischen TalkBack-Stimme ablief, was zu kaum oder gar nicht verständlichen Sprachausgaben führte.

Die WLAN-Auswahl ist durch die Eigentätigkeit des Geräts, das ständig neue verfügbare WLANs vorliest, schwierig. Die entscheidende Barriere ist aber die Passworteingabe. Es ist zwar prinzipiell möglich, als Nicht-Sehender bei der Einrichtung des WLAN-Zuganges das Passwort mit der virtuellen Tastatur einzugeben, aber erst, nachdem man die Checkbox „show password“, die sich nach dem Eingabefeld befindet, aktiviert hat. Der Schritt der Anmeldung bei einem Google-Konto ist für blinde Nutzer nur durchführbar, wenn ein Kopfhörer angeschlossen ist; ansonsten gibt es kein Tastaturecho für die Tasten (nur dot-dot-dot). Immerhin lässt sich dieser Schritt auch überspringen.

Was das Erlernen der notwendigen Gesten angeht, verfolgt Android einen anderen Weg als iOS. Beim Aufrufen der Erstinstallation mit angeschalteter Sprachausgabe durchlaufen Nutzer ein kurzes Tutorial, bei dem sie die Berührungserkundung und die grundlegenden Streichgesten erproben können. Dieses Tutorial steht jedoch nur auf Englisch zur Verfügung.

Fazit

Das iPad ist prinzipiell durch blinde Nutzer selbstständig einrichtbar. Googles Nexus punktet mit einem vorgeschalteten Tutorial, bietet aber die Installation nur auf Englisch. Außerdem gibt es Barrieren bei der Passworteingabe. Vorwissen über die Aktivierung der Sprachausgabe und Touch-Gesten ist in beiden Fällen notwendig und die Nutzung der virtuellen Tastatur verlangt einige Übung.

Vergleichstabelle Erstinstallationsschritte bei iPad mini und Nexus 7

 

iPad mini (iOS 7)

Nexus 7 (Android 4.4)

1. Anschalten des Screenreaders

Geht. Kein Problem: Dreimal die Home-Taste drücken.
Ausgabe: "VoiceOver ein"

Geht. Meist problemlos: Nach Anschalten zwei Finger auf den Bildschirm legen und dort lassen.

2. Tutorial am Beginn

n.a.

Geht. Einführung der wichtigsten Gesten mit der Möglichkeit, diese auzuprobieren.

3. Auswahl der Sprache für den Installationsprozess

Geht. "Konfiguration - zurück - Zurück-Taste" [wischen]

"Land oder Region wählen - Überschrift" – Deutschland ist die erste Auswahl (wohl durch Erkennen der IP?)

(Auswahl von Deutschland)

Problem. Nur englische Installation möglich.

Die Nutzung des Sprachauswahlmenüs ist schwierig, da die aktivierte Sprache nach der Auswahl nicht ausgegeben wird (nur beim Vor- und-dann-zurück-Streichen).

4. Durchführung der Schritte

Geht. Prozess läuft flüssig. Der Fokus liegt allerdings immer zuerst auf der Zurück-Taste am Bildschirmanfang, Weiterwischen ist nötig.

Weitere Anmerkung: Die Erklärungen kommen meist erst nach den Auswahloptionen (andererseits geht der Prozess so schneller).

Geht. Der Prozess läuft recht flüssig. Erklärungen werden vor den Auswahloptionen ausgegeben.

5. Auswahl des WLANs

 

Geht. "Zurück - Zurück-Taste" [wischen]

W-L-A-N Netzwerk wählen - Überschrift [wischen]

"<Netzwerkname> sicher - Signalstärke 74 %"

Problem. Eigenaktivität des Nexus: gibt aus "Select Wi-Fi", schlägt dann verschiedene verfügbare WLANs ohne ersichtliche Reihenfolge vor (vielleicht abhängig von der Signalstärke) und versetzt dabei den TalkBack-Fokus. Auch nach Auswahl des gewünschten WLANs kann diese Eigenaktivität den Fokus auf andere WLANs setzen, wenn der Nutzer nicht schnell genug die Auswahl bestätigt.

6. Rückmeldung bei Einblendung der virtuellen Tastatur

Geht. Rückmeldung nur über ein Tonsignal.

Geht. Rückmeldung über Tonsignal und die Ausgabe “showing text keyboard

7. Bedienung der virtuellen Tastatur

Geht. Grundeinstellung ist die 2-Finger-Methode (Ausgabe der Tasten bei Berührungserkundung, dann Schreiben mit einem zweiten Finger oder Doppel-Tippen) – kann aber später auf die 10-Finger-Methode umgestellt werden (Aktivieren durch Finger anheben)

Geht. 10-Finger-Methode (Aktivieren durch Finger anheben)

8. WLAN Kennworteingabe

Geht. "Kennwort – sicher – Textfeld – bearbeiten"

Das Tastaturecho ist nur ein Ticken, nicht die Wiederholung des Buchstabens.

Es gibt zwei Optionen zum Verbinden: Auswahl der Verbinden-Taste der virtuellen Tastatur oder Auswahl des Bedienelements oberhalb des Passwordfeldes (erreichbar druch Zurückstreichen)

Problem. TalkBack liest (nur beim ersten Mal?) alle Eingabeelemente, die Einfügemarke bleibt beim Passwortfeld, der TalkBack-Fokus bewegt sich zum letzen Element des Dialogs – Zurückstreichen zum Passwort ist notwendig.

Später: Fokus liegt auf dem Passwordfeld, aber das wird nicht ausgegeben. Das Standard-Tastaturecho is nur "dot-dot-dot" usw. Die "Show password" Checkbox muss ausgewählt werden, damit ein Tastaturecho erfolgt. Diese Checkbox wird aber leicht nicht gefunden, denn sie folgt nach dem Passwort-Eingabefeld.

9. Rückmeldung nach WLAN-Eingabe

Geht. "Verbinden – in Arbeit --- Taste weiter aktiviert - Zurück - Zurück Taste"

Der nächste Schritt folgt automatisch.

Geht. "Keyboard hidden – select WiFi – Got Google?"

Der nächste Schritt folgt automatisch.

10. Ortungsdienste

Geht. "Ortungsdienste - Überschrift" mit Optionen: [wischen]

  • Ortungsdienste aktivieren
  • Ortungsdienste deaktivieren

Erklärung nach den Auswahloptionen.

(Auswahl: Ortungsdienste deaktivieren)

Dialog verlangt Bestätigung des Deaktivierens mit Abbrechen und OK

(Auswahl: OK)

n.a. (dies ist Teil von Google Services)

11A. Konfigurieren

Geht. Drei Optionen:

  • Als neues iPad konfigurieren
  • Aus iCloud-Backup wiederherstellen
  • Aus iTunes Backup wiederherstellen
(Auswahl: Als neues iPad konfigurieren)

n.a.

12A. Apple ID

Geht. Zwei Optionen:

  • Mit Ihrer Apple-ID anmelden
  • Gratis Apple-ID erstellen

Dieser Schritt kann übersprungen werden.

n.a.

13A. Apple-ID Eingabe

Geht. Gute Hinweise: "Apple ID - Textfeld – Bearbeiten - example@icloud.com"

Keine explitzite Ansage, dass die virtuelle Tastatur eingeblendet wird.

Kleines Problem: Wischen nach Eingabe der Apple-ID bewegt den Fokus zur nächsten Taste in der virtuellen Tastatur - die virtuelle Return-Taste muss aktiviert werden oder ein explizites Auswählen des Passwortfeldes ist nötig, um hier zu schreiben.

n.a.

14A. Nutzungsbedingungen

Geht. Nutzungsbedingungen - Überschrift"

Es gibt die Option Per E-Mail senden.

Links zu Details über:

  • Nutzungsbedingungen für iOS
  • Nutzungsbedingungen für iCloud
  • Nutzungsbedingungen für Game Center
  • Datenschutz

Langer Text, wischen springt zu Ablehnen und Akzeptieren

(Auswahl: Akzeptieren)

Dialog zur weiteren Bestätigung der Nutzungsbedingungen mit Abbrechen und Akzeptieren

(Auswahl: Akzeptieren)

n.a.

15A. iCloud

Geht. Keine Option, zum vorangehenden Schritt zurückzukehren.

"iCloud -Überschrift" Nach Wischen folgende Optionen:

  • iCloud verwenden
  • Nicht verwenden
Dann Erklärung.

(Auswahl: Nicht verwenden)

n.a.

16A. Code erstellen

Geht. "Code erstellen" [wischen] "Geben Sie einen vierstelligen Code ein"

Keine Option, zum vorangehenden Schritt zurückzukehren.

Die Code-Eingabe hat kein Tastaturecho. Nach Eingabe von 1-2-3-4  kommt automatisch ein Dialog "Möchten Sie diesen Code wirklich verwenden? Dieser Code wird oft verwendet und kann leicht erraten werden", dann Ändern oder Code verwenden.

(Auswahl: Code verwenden)

Code muss erneut eingegeben werden.

n.a.

17A. Siri

Geht. "Siri - Überschrift". Optionen:

  • Siri verwenden
  • Siri nicht verwenden

Danach folgt die Erklärung.

(Auswahl: Siri nicht verwenden)

n.a.

18A. Diagnose

Geht. "Diagnose - Überschrift." [wischen] Optionen:

  • Automatisch senden
  • Nicht senden.

Dann Erklärung zu Diagnose und Nutzung.

(Auswahl: Nicht senden)

n.a.

11B. Google account selection

n.a.

Problem. Dieser Schritt ist ohne Kopfhörer nicht zugänglich (kann aber übersprungen werden).

Die Password-Eingabe hat nur dann eine Tastaturausgabe bei Berührungserkundung, wenn der Installationsvorgang mit Kopfhörer durchgeführt wird.

12B. Google services

n.a.

Geht. Die Checkbox und die folgende Option (Backup and restore, Location) werden als separate Elemente behandelt – die Auswahl funktioniert nur auf der unbeschrifteten Checkbox

13B. Entertainment

n.a.

Geht. Set up credit card -

(Mit Auswahl "Not now" übersprungen)

Die E-Mail Eingabe funktioniert, aber die Password-Eingabe ist nur mit Kopfhörer möglich

14B. This tablet belongs to..

n.a.

Geht. Es gibt jedoch keine Unterscheidung der Label für Vor- und Nachname: "Edit box: Erika" / "Edit box: Tester"

19A / 15B. Fertigstellung

Geht. "Willkommen beim iPad" [wischen] "Los geht’s - Taste".

Die Aktivierung führt zum App / Home Screen, mit Fokus auf dem ersten Icon (FaceTime).

Geht. "Setup complete." (Weiterstreichen) "Your tablet is set up and ready to use."

Die Aktivierung führt dann zur Ansicht "My Library", nach Weiterstreichen dann "image 80 unlabeled" (ein Pfeil-Icon vor "My Library") – um zum Apps-Ansicht zu gelangen, muss mehrmals weitergestrichen werden.